Bei Digitalfotografen derzeit sehr beliebt sind die so genannten High Dynamic Range-Fotografien. Durch einen Trick wird hierbei der Kontrastumfang einer Aufnahme stark erhöht. Details bleiben an hellen wie an dunklen Stellen sichtbar, wo sie bei einem normalen Foto sonst in sattes Weiß oder Schwarz übergehen.
Spiegel Online widmete dem Thema bereits mehrere Artikel - beeindruckende Fotostrecken mit Leserfotos inklusive. Eine weitere Galerie gibt es bei Chip Online. Wer Spaß an dem Hobby findet, kann sich auch verschiedenen Communities anschließen und sich mit anderen HDR-Fotografen austauschen.
Der Spaß ist nicht nur Windows-Anwendern vorbehalten. Wie man mit Linux zu seinen HDR-Fotos kommt, beschreibt dieses Special.
Was ist HDR-Fotografie?
Unsere Augen erlauben es uns, selbst an hellen Sommertagen Details im Himmel wie auch an dunklen, schattigen Stellen wahrzunehmen. Kameras sind dazu nicht in der Lage. Sie haben nur einen begrenzten Kontrastumfang, den sie darstellen können. Alles, was über diesen Bereich hinausgeht, wird nur noch als sattes Weiß oder Schwarz dargestellt, die Bilddetails gehen dort verloren.
Bei der HDR-Fotografie begegnet man diesem Problem mit einem Trick: Man nimmt vom gleichen Motiv mehrere Bilder in verschiedenen Belichtungsstufen auf. Auf den unterbelichteten Bildern bleiben helle Details erhalten, während auf den überbelichteten Bildern dunkle Details erhalten bleiben.
Eine spezielle Software setzt diese Bilder anschließend zu einem einzigen HDR-Bild zusammen. Durch den hohen Kontrastumfang des Bildes ist es allerdings auf herkömmliche Weise nicht mehr darstellbar - 16 Millionen Farben reichen dafür bei Weitem nicht aus.
Um das Bild wieder darstellbar zu machen, wandelt man es mit einem tonemapping genannten Verfahren in ein LDR-Bild (Low Dynamic Range, zum Beispiel eine JPEG-Datei) zurück. Die Software bewertet dafür jede Stelle der HDR-Vorlage einzeln und ändert die Belichtung punktuell so ab, dass alle Details wiedergegeben werden. So wird die große Dynamik, die die HDR-Vorlage hergab, in ein gewöhnliches Bild "gepresst". Im Ergebnis sind dann die Details an hellen wie an dunklen Stellen sichtbar. Diese Bilder üben auf den Betrachter einen ganz besonderen Reiz aus, obwohl (oder gerade weil) sie unnatürlich aussehen.
Die Ausrüstung
Um HDR-Bilder anzufertigen, braucht man keine teure Ausrüstung. Fast alle einfachen Digitalknipsen der unteren Preisklasse bieten bereits eine zumindest rudimentäre Belichtungssteuerung, die für die ersten Schritte ausreicht. Da man das gleiche Motiv mehrfach fotografiert, wird man allerdings um ein Stativ nicht herumkommen. Sehr hilfreich ist auch ein Fernauslöser.
Gute HDR-Bilder lassen sich nur mit Digitalkameras ab der Mittelklasse machen, die eine manuelle Belichtung (also die manuelle Auswahl von Blende und Belichtungszeit) erlauben. Hilfreich in manchen Situationen, aber keine Voraussetzung ist es außerdem, Belichtungsreihen anfertigen zu können oder die Bilder im RAW-Format auf der Speicherkarte abspeichern zu können.
Das Motiv und die Aufnahme
Um die Vorzüge von HDR-Aufnahmen voll ausspielen zu können, braucht man zunächst mal eines: Ein Motiv mit einem hohen Kontrastumfang. Das können Außenaufnahmen von Gebäuden bei leicht bewölktem Himmel sein, wo die Wolken genauso detailreich zu sehen sein sollen wie im Schatten liegende Gebäudeteile. Beliebt sind auch Innenaufnahmen zum Beispiel von Kirchen, wo bei herkömmlicher Aufnahmetechnik die Fenster meist nur als blendend weiße homogene Fläche erscheinen. Vielleicht nicht ganz so nahe liegend sind Nachtaufnahmen, wo einerseits die Landschaft im Dunkeln liegt, andererseits aber Scheinwerfer, Reklametafeln oder Straßenlaternen ein helles Licht abgeben. Hier ist die Kamera im Vorteil gegenüber dem menschlichen Auge, das im Dunkeln weniger wahrnimmt.
Da mehrere Bilder angefertigt werden, darf sich das Motiv möglichst nicht bewegen. Bereits kleine Bewegungen (wie etwa Blätter eines Baumes im Wind) können später auf dem HDR-Bild als Geisterbild wahrgenommen werden. Eine HDR-Aufnahme von Menschen und Tieren ist unter der Voraussetzung gar nicht möglich.
Die Aufnahme erfolgt mit der auf das Stativ montierten Kamera. Zur verwackelungsfreien Auslösung benutzt man einen Fernauslöser oder (notfalls) den Selbstauslöser. Wenn man zwischen den Aufnahmen Einstellungen an der Kamera vornimmt, sollte man darauf achten, sie dabei nicht zu bewegen.
Zur Vorbereitung sollten möglichst alle Automatiken abgeschaltet werden. Der Weißablgeich sollte auf die Lichtverhältnisse eingestellt werden, und statt einer automatischen ISO-Einstellung sollte ein fester ISO-Wert gewählt werden. Der Autofokus könnte zwischen den Aufnahmen die Schärfe verstellen und sollte deshalb ebenfalls abgeschaltet werden.
Nun werden die einzelnen Bilder aufgenommen. Es sollten mindestens drei Bilder sein, wovon eines normal belichtet ist und die weiteren entsprechend stark unter- und überbelichtet sind. Im einfachsten Fall geschieht dies über die Belichtungskorrektur oder eine Belichtungsreihe.
Besser ist es aber, die Kamera auf manuelle Belichtung zu stellen, die gewünschte Blende auszuwählen und zunächst einmal die korrekte Belichtungszeit einzustellen. Von hier an kann man alleine durch Verstellen der Belichtungszeit alle notwendigen Bilder anfertigen.
Die Reihenfolge der Aufnahme spielt keine Rolle. Die Kamera legt die Belichtungsdaten im EXIF-Bereich der Bilder ab. Die HDR-Software liest diese Daten später aus und kann die Bilder dann entsprechend einordnen.
Die Software
Da HDR-Bilder per Definition eine sehr hohe Dynamik haben, ist eine Bearbeitung mit herkömmlichen Grafikprogrammen nur sehr eingeschränkt möglich. The GIMP zum Beispiel bietet derzeit nur 8 Bit pro Farbkanal und kann deshalb mit dem hohen Kontrastumfang nicht umgehen.
Anders sieht es schon mit CinePaint aus, einem GIMP-Ableger, der auf Foto- und Filmnachbearbeitung spezialisiert ist, und den es mittlerweile auch schon im Fedora-Repository gibt. Allerdings bietet Cinepaint bisher kein Tonemapping an, sondern kann nur aus den Vorlagefotos das HDR-Bild errechnen.
Qtpfsgui ist dagegen ein Programm, welches ausschließlich für HDR-Bilder gemacht wurde.
Nach der Installation des RPMs kann Qtpfsgui über den Menüeintrag Anwendungen → Grafik → Qtpfsgui gestartet werden. Das Programm gibt es momentan nur in Englisch.
Die Bedienung
Begonnen wird die Arbeit mit dem Erzeugen einer neuen HDR-Datei über den Button "New Hdr...". In dem folgenden Dialog werden dann im ersten Schritt alle Vorlagebilder eingelesen, aus denen das HDR-Bild zusammengesetzt werden soll.
Über "Next >" gelangt man dann zum zweiten Schritt. Die voreingestellten Parameter können normalerweise so übernommen werden. Qtpfsgui bietet außerdem eine Option "Anti-ghosting" an, welche die Geisterbilder, die durch Bewegungen im Motiv entstanden sind, mehr oder weniger erfolgreich herausrechnen kann.
Ein erneuter Klick auf "Next >" erzeugt nun das HDR-Bild. Der Dialog kann mit "Finish" beendet werden.
Auf dem Monitor erscheint das HDR-Bild in einer speziellen Darstellungsweise. Da der Monitor nicht den kompletten Kontrastumfang wiedergeben kann, wird der Kontrast gestaucht. Das Histogramm über dem Bild gibt den dargestellten Kontrastbereich an und erlaubt es, mit der Maus einen anderen Bereich zur Dastellung auszuwählen. Man kann das Bild außerdem skalieren und drehen. Schließlich wird es über "Save Hdr as..." abgespeichert.
Als nächster Schritt wird nun das oben bereits erwähnte tonemapping vorgenommen. Dazu wird über "Tonemap the Hdr" ein neuer Dialog geöffnet. Auf der linken Seite des Dialogs lassen sich die Bildgröße, die Gammavorkorrektur, der Tonemap-Operator und dessen Parameter einstellen. Es stehen verschiedene Operatoren ("Fattal", "Ashikhmin" usw.) zur Verfügung, welche über den entsprechenden Reiter ausgewählt werden und zum Teil sehr unterschiedliche Ergebnisse liefern. Mit "Apply" wird aus den aktuellen Einstellungen ein Bild errechnet.
Mit diesen Parametern kann man nun spielen, bis man ein schönes Bild erhält. Es gibt dafür keine Patentlösung. Entscheidend ist alleine der Geschmack und die Erfahrung des Anwenders. Das fertige Bild kann dann als LDR-Bild über "Save" in verschiedenen Formaten (für gewöhnlich JPEG oder verlustfrei als PNG) abgespeichert werden.
RAW-Bilder
Wie oben erwähnt, müssen für HDR-Fotos gewöhnlicherweise mehrere Bilder aufgenommen werden, wodurch sich bewegende Motive (zum Beispiel Personen) nicht fotografiert werden können. Unter einer bestimmten Voraussetzung geht es allerdings schon.
Digitalkameras der gehobenen Preisklasse bieten die Möglichkeit an, die Sensor-Rohdaten als RAW-Datei abzuspeichern. Der Sensor der Kamera verarbeitet einen höheren Kontrastumfang, als später im fertigen JPEG-Bild abgelegt wird. In der RAW-Datei gehen diese Informationen nicht verloren, wodurch solche Aufnahmen auch nachträglich am Computer um bis zu drei Stufen über- oder unterbelichtet werden können.
Und damit eignen sich RAW-Dateien ideal für HDR-Fotos. Der Vorteil liegt auf der Hand: Statt mehrere Fotos mit unterschiedlichen Belichtungen anzufertigen, braucht man nur noch ein einziges Foto - und kann so auch in schwierigen Situationen noch HDR-Bilder machen. Außerdem lassen sich RAW-Fotos aus dem Fotoarchiv in HDR-Bilder wandeln, wo man bei der Aufnahme noch gar nicht an diese Möglichkeit dachte.
Der Kontrastumfang einer RAW-Aufnahme kann sich allerdings nicht mit einer manuell belichteten Reihe messen. Bei meinen Tests wurde außerdem das Rauschen des Bildsensors erheblich verstärkt und fiel durch Pixelraster störend auf. Wenn möglich, sollte man also die manuelle Belichtung oder eine Kombination aus beidem bevorzugen.
Qtpfsgui kann übrigens die RAW-Bilder vieler Kameramodelle direkt einlesen, so dass eine vorherige Konvertierung entfällt.
Danksagungen
Danke an Jörg Hellmich für den Hinweis auf Qtpfsgui und die Inspiration zu diesem Artikel.
Die Fotos stammen von Dean S. Pemberton und wurden bei Wikipedia unter der Creative Commons License veröffentlicht: Bild 1, Bild 2.